Demnate
06 .Mai 2023 – Blauracken und Kreuzschnäbel
Wir verabschieden uns von Brigitte & Kevin und den ganzen Angestellten, die uns in den letzten Tagen regelrecht verwöhnt haben. Auf direktem Weg fahren wir hinter Skoura auf die R 307, die zunächst an dem kilometerweit sichtbarem Solarturm NOORo III, dem leistungsstärksten Solarkraftwerk der Welt, entlangführt. Ein Spiegelmeer umgibt den Solarturm, bündelt die Sonnenstrahlen zum Turm und versetzt ihn in gleißendes Licht. Der Standort hier in der Wüste ist perfekt, da an 365 Tagen im Jahr die Sonne scheint.

Die kurvenreiche Passstraße hinauf in das Atlasgebirge ist in ihrem Verlauf mal ruppige Buckelpiste, mal Baustelle, dann wieder autobahngleich! Eine Zeitlang haben wir den markant gefalteten Gipfel des Jebel n´Anghomar vor Augen, während die Piste an fruchtbaren terrassierten Tälern vorbeiführt.

Immer wieder blockieren riesige herabgestürzte Felsblöcke Teile der Straße und zwingen uns zum Schritttempo. An einigen Stellen finden Straßenbauarbeiten statt – schwere Maschinen tragen mit Pressluftbohrern dicke Felsbrocken ab, die sodann unvermittelt auf die Straße krachen. Eine Sekunde glauben wir, dass wir die Straße nun nicht mehr passieren können, aber schon schafft ein wartender Bagger die tonnenschweren Felsklumpen beiseite. Auf dieser Straße dürften Wohnmobile erneut an ihre Grenzen stoßen. Die voranschreitenden Straßenarbeiten lassen darauf hoffen, dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändert.

In der Kasbah Ait Oumghar, kurz hinter der Iminifri Natural Bridge, nehmen wir ein kurzes Mittagsmenü ein. Im Garten steht ein riesiges Dinosaurierskelett. In dieser Kasbah kann man auch übernachten, uns wäre das ganze Ambiente allerdings zu kitschig-arabisch, zu plüschig. Der Herr des Hauses bemüht sich hingebungsvoll um uns, und es wird ein hervorragendes Menü serviert, inklusive hausgemachter Oliven, die von der eigenen Plantage stammen.
Unsere gebuchte Unterkunft, die Kasbah Timdaf*, befindet sich hinter Demnate, einer ziemlich großen Stadt am Rande des Atlasgebirges. Sie wird von dem Deutsch sprechenden Marokkaner Aziz geführt. Wir sind kaum angekommen, als uns eine Blauracke vor die Linse fliegt. Aziz meint fast gelangweilt, dass gerade einige Paare neben diversen Turmfalken in den Löchern der Kasbahmauern nisten. Da die spektakulär gefärbten Blauracken für uns eine Erstsichtung darstellen, können wir unsere Begeisterung kaum zügeln.



Die Zimmer im Kasbah Timdaf sind komfortabel und geschmackvoll eingerichtet, leider ist der Pool noch im Bau und derzeit nicht nutzbar. Aziz erklärt, der Ramadan habe die Bauarbeiten massiv verzögert, sonst sei der Pool längst fertig. Auf einer schattigen Terrasse schreiben wir eine Weile an unserem Reisebericht und lesen, während wir die Vögel beobachten, die zur Tränke im Garten kommen. Auch Fichtenkreuzschnäbel sind Stammgäste an der Wasserquelle.
Gegen Abend drehen wir noch eine kleine Runde, verfehlen aber leider den Pfad zurück zur Kasbah. So schlagen wir uns durch ein paar wilde Terrassenfelder durch und orientieren uns an unserer Komoot-App. Schließlich gelangen auf den Grad des Berges oberhalb unserer Unterkunft zum Sunset Point, zu dem Aziz für Familien mit Kindern Ausflüge mit dem Maultier anbietet.


Zum Abendessen serviert Aziz eine fantastische Tagine mit frischer Dorade und Gemüse. Wir plaudern noch eine ganze Weile angeregt mit einem Paar aus München, neben uns die einzigen Gäste in der Kasbah am heutigen Abend.
07 .Mai 2023 – Ein spektakulärer Wasserfall
Die Cascades d´Ouzoud zählen zu den beeindruckendsten Naturspektakeln Marokkos. In einer knappen Stunde Fahrzeit erreicht man von Demnate aus den Ort Ouzoud, wo an jeder Straßenecke mit gelben Westen ausgestattete „Parkwächter“ versuchen, die Autofahrer auf ihre Parkplätze zu lotsen. Wir empfehlen die Straße bis ganz zum Ende zu fahren. Dort befindet sich ein ruhiger und vor allem schattiger Platz, auf dem man für 10 Dirham den ganzen Tag sicher parken kann.
Zunächst einmal muss man die vielen selbsternannten Guides abwehren, die einem die „geheimen Wege“ zum Wasserfall zeigen wollen, eine Wander-App und ein bisschen Orientierungssinn reichen allerdings dafür auch aus! Tatsächlich sichten wir einen der Berber Affen, die sich in der Gegend angesiedelt haben und inzwischen eine ordentliche Population gebildet haben.
Da das beste Licht zum Fotografieren des großen Wasserfalls am frühen Nachmittag ist, wenden wir uns zunächst dem kleinen Pfad zu, der dem Fluss bis zu seiner Mündung in den „Silbernen Fluss“, El Abid, folgt.

Diese Passage machen die wenigsten Besucher, was wir nur sehr begrüßen können (vgl. Rother Wanderführer* Nr. 28). So haben wir den Traumpfad ganz für uns allein! Hier findet ihr die gesamte Tour. Immer wieder müssen wir Foto-Stopps machen, weil wir irgendetwas Interessantes am Wegesrand entdecken, bunte Libellen und andere Insekten oder einfach nur grandiose Ausblicke auf rauschende kleine Kaskaden im Flussbett.



Kurz vor der Mündung muss man über einen abenteuerlich mit Holzpfosten und Drähten konstruierten Steig kraxeln. Wer nicht schwindelfrei und trittsicher ist, dem sei von diesem letzten Stück abgeraten. Über eine Grotte rauscht hier der Ouzoud mit großem Getöse in den El Abid.


Auf gleichem Weg laufen wir zurück zum „Bob Marley-Cafe´“, vom uns so getauft. In dem Restaurant am Fluss, zwei Kilometer vor den Wasserfällen gelegen, herrschen die Farben rot, gelb und grün vor. Das Interieur ist hundertprozentig in Memoriam an die Reggae-Legende eingerichtet. Der nette Besitzer begrüßt uns herzlich – er sieht selbst ein bisschen aus wie Bob Marley!


Wir belohnen uns für die Tour mit einem Berber Omelette und einer kalten Cola, bevor wir den Pfad zum Wasserfall einschlagen. Gar nicht so einfach, hier den richtigen Pfad zu finden. Überall versperren Holzzäune der unzähligen Cafés den Weg. Aber schließlich stehen wir vor dem spektakulären Naturwunder, das unsere Erwartungen weit übertrifft. Der hundert Meter in die Tiefe stürzende Wasserfall ist schon gigantisch! Es ist Sonntag, Hunderte von einheimischen Jungs nutzen den freien Tag, um in die senkrechten Felswände zu klettern und mit großem Getöse aus schwindelerregender Höhe in die Pools zu springen!
Aufgabe für unsere Leser: Finde den Felsenspringer auf dem Foto zur Rechten und schätze die Höhe von der Höhle bis zum Wasser ein!
Die ältere Generation der Einheimischen lässt sich indes eher gemächlich mit plüschigen Ruder-Flößen in die Nähe des Wasserfalls bringen.
Auf dem Treppenweg entlang des Wasserfalls müssen wir im Schweiße unseres Angesichts hundert Höhenmeter hinaufsteigen.



Hier reiht sich ein Souvenirgeschäfte und Restaurant an das nächste. Tajines werden auf dampfenden Holzkohlefeuern zubereitet, schweißgebadete und vor Erschöpfung ächzende Wanderer werden von Restaurantbesitzern zu einer kurzen Pause in ihren Räumlichkeiten animiert. Oben angekommen, wandern wir entlang der Oberkante des Wasserfalls zurück zum Parkplatz.
08 .Mai 2023 – Abenteuer Tripp durch ein Höhlengewölbe
Und gleich noch eine Wanderung (vgl. auch Rother Wanderführer* Nr. 29) steht heute an unserem letzten Tag vor unserer Rückreise auf dem Programm: Die Naturbrücke Iminifri, eine tunnelartige Höhle, die sich vor rund zwei Millionen Jahren gebildet hat. Über den südlichen Treppensteig wandern wir hinab in die kleine Schlucht. Vor uns liegt die natürliche Brücke, die es nun zu durchwandern gilt. Unter dem Höhlengewölbe hängen unzählige Stalaktiten. Hunderte von Alpenkrähen, Mauersegler und Turmfalken nisten in den Nischen der Kalksteinwände.
Über eine maximal vierzig Zentimeter breite Felskante verläuft ein abenteuerlicher Pfad in schwindelerregender Höhe – nichts für trittsunsichere oder gar nicht schwindelfreie Wanderer! Es gibt keinerlei Sicherungen und das Geröll auf dem rutschigen Felsen erfordert höchste Aufmerksamkeit.


Im Schlucht Grund angekommen kraxeln wir über ausgewaschene Felsblöcke zum Nordportal der Höhle und von hier aus entlang eines Bewässerungskanals, der an Madeira erinnert, durch lauschige Olivenhaine. Unterwegs passieren wir eine historische Brücke aus dem 15. Jahrhundert, die den Oued Tisslit überspannt.


Später wandern wir auf gleichem Weg zurück und laufen die gut ausgebaute Treppe am Nordportal hinauf zur Straße, wo wir unser Auto geparkt haben. Die kleinen Restaurants oben an der Straße, die Tajines anbieten, sollte man besser meiden – so unsere Erfahrung nach einem mittelmäßigen Lunch. Nur wenige Kilometer dahinter befindet sich die Kasbah Ait Oumghar, wo wir auf der Hinfahrt nach Demnate sehr gut gegessen haben.
Auf der Rückfahrt nehmen wir die kleine Bergstraße auf der anderen Seite des Tals. Sie führt durch kleine Töpferdörfer, die sich vor allem der Herstellung von Tajines verschrieben haben. Tausende der wohl einzigen Kochbehältnisse in Marokko stehen am Straßenrand zur Trocknung.
Ein weiterer Stopp gilt Demnate, für uns auch auf den zweiten Blick keine Stadt, in der sich ein größerer Aufenthalt lohnt. Es sieht ziemlich vermüllt und heruntergekommen aus. Also entscheiden wir, zurück zu unserer Unterkunft zu fahren, wo wir im Schatten ein wenig chillen. Die Sonne brennt heute Nachmittag unerbittlich – es sind 39 ° Grad vorhergesagt.

Galerie
Fortsetzung folgt in Kürze!